[Dieser Beitrag gehört zum Roman „Utopia“. Der Roman erscheint im Blog in loser Reihenfolge. Der Beginn findet sich hier.]
Als Noë die Augen aufschlägt, liegt sie auf der wärmenden Matratze. Sie fühlt sich ausgeschlafen, aber immer noch sehr bedrückt. Sie hat Luis zurückgelassen im Café Meetingpoint. Sie hat es dort einfach nicht mehr ausgehalten.
Luis hat schliesslich gesagt, sie solle gehen. Es habe keinen Zweck so. Er hat gesagt, dass sie vielleicht hier, mit Hilfe ihres Computers, herausfinden könnte, wie er sich in das Gebäude versetzen kann. Und da ist sie dann gegangen. Erleichtert atmet sie nun die Luft in ihrem Zimmer ein, die nicht moderig riecht. Es riecht immer noch etwas nach Kerzenwachs. Und nach Erdnüssen. Sie kuschelt sich in ihre Decke ein und schliesst noch einmal kurz die Augen. Ihr Leben scheint ihr im Moment nicht gerade leicht und froh und sie möchte noch etwas Energie sammeln, bevor sie sich an die Arbeit macht. Denn sie hat schon ein bisschen ein ungutes Gefühl: Es wird wohl nicht ganz einfach, Luis zu ihr zu bringen.
Dann rafft sie sich zusammen, streckt sich und richtet sich auf. Sie gähnt noch einmal und setzt sich dann an den Tisch vor den Computer. Sie beginnt etwas ratlos mit ihrer Suche: Sie weiss ja eigentlich gar nicht, was Luis fehlt. So tippt sie wahllos Stichwörtern in den Computer ein, Stichwörter wie „krank“, „eingeschränkte Bewegung“, „schlechter Geruch“ (wobei Luis diesen ja nicht wahrnimmt, vielleicht also eher „Geruchsstörung“?). Sie durchkämmt die Suchresultate und bleibt immer wieder am einen oder anderen Artikel hängen, wenn sie Stichwörter enthalten, die ihr irgendwie bekannt vorkommen.
13. April 2022
Toter identifiziert - nicht virtuell
Letzte Woche wurde in einem Hochhaus mitten in der Stadt die verwesende Leiche eines Mannes entdeckt. Er war seit mehreren Monaten tot. Die Nachbarn hatten sich bereits vor Wochen beim Vermieter über den schlechten Geruch beschwert. Der Vermieter hatte sich aber für nicht zuständig erklärt. Zwei Bewohner hatten dann schliesslich die Türe aufgebrochen und den Toten entdeckt.>ver<
Die Polizei liess die Überreste einer gerichtsmedizinischen Untersuchung unterziehen und hat festgestellt, dass der Mann an einem natürlichen Herzversagen gestorben ist. Allerdings fand sie auf einem Computer eine aktive Chat-Gruppe. Die Mitglieder wurden von der Polizei vernommen und gaben zu Protokoll, dass der Mann mit dem Usernamen Qwest mitgeteilt habe, er glaube, einen Herzanfall zu erleiden. Daraufhin habe eine andere Userin (Name der Redaktion bekannt) ihm unverzüglich einen virtuellen Krankenwagen gesandt. Offenbar ist dieser nie bei Qwest angekommen und er verstarb wohl noch in derselben Nacht.
Der Vermieter nahm gegenüber der Presse Stellung und äusserte sein Staunen darüber, dass die Menschen immer mehr vereinsamten. Sie lebten doch hier in diesem Hochhaus aus lauter Einzimmerwohnungen zusammen. Er könne sich nicht erklären, weshalb die Leute ihre Nachbarn nicht mehr kennen. Alle seien doch sogar zusätzlich noch virtuell miteinander vernetzt.
Die Politik fordert nun, dass endlich auch Krankenwagen ins Internet der Dinge eingebunden werden. Das könnte etwa so funktionieren: Sobald in einer Diskussion in einem öffentlichen Chat oder auch in privaten Kommunikationsapps Unfälle genannt werden, wird automatisch ein Krankenwagen in Bereitschaft geschickt. Allerdings hat man darauf hin noch eine Stunde Zeit, den Krankenwagen wieder abzubestellen, falls er ungewünscht bestellt wurde. Dies könnte über das viermalige Bestätigen einer Aktivierungstaste passieren, über welche man sein Passwort eingeben muss.
Ähnlich funktioniert es bereits mit dem Push-Button: Hier können schon länger Produkte bestellt werden, die mit einer Drohne direkt in die Wohnung geliefert werden. Auch dort muss man ungewöhnliche Bestellungen (beispielsweise von Gütern, die man zuvor noch nie bestellt hat oder von Mengen, die für eine Person zu hoch erscheinen) mit einem gesonderten Passwort bestätigen.
Noë überlegt: Könnte sie für Luis einen Krankenwagen bestellen? Aber sie weiss ja nicht einmal, was Luis wirklich fehlt. Und sie weiss auch nicht, wo er ist und wie ein Krankenwagen ihn erreichen könnte. Denn vielleicht können auch die Menschen im Krankenwagen sich nicht durch Zwinkern von einer in die andere Welt versetzen. Sie sucht weiter.
23. September 2020
Dichtestress führt zu Vereinsamung
Der Dichtestress hat in den letzten Jahren noch einmal massiv zugenommen, nicht nur durch die sich stetig verschlechternden Klimabedingungen und die immer noch weiter steigende Anzahl der Flüchtlinge, sondern weil die Menschen zunehmend weniger Dichte ertragen. Selbst bei stabilisierenden Verhältnissen reagieren die Menschen sensibel. Zu diesem Ergebnis kommt das staatliche Untersuchungsinstitut in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ecocyb, welches die Umweltdaten dazu erhoben hat.
Die Politik distanziert sich laut von diesen Zusammenhängen. Im offiziellen Statement heisst es: ,, Was nützt es uns, Probleme anzugehen und anzusehen, die wir sowieso nicht lösen können? Stattdessen wollen wir uns auf jene Punkte konzentrieren, die wir in den Griff bekommen können. Beispielsweise die Umwelt: Sie war in den vergangenen 40 Jahren immer wieder als zum Untergang bereit angekündigt worden. Nie ist sie untergegangen. Was in der Vergangenheit nicht passiert ist, wird auch jetzt nicht passieren. Darauf konzentrieren wir uns.“
Soziopsychologen dagegen sehen in den laufenden Entwicklungen eine grosse Gefahr. Menschen ziehen sich immer mehr zurück und versuchen der Dichte auszuweichen. Das führt dazu, dass sie sich weniger bewegen und ihre Muskeln darum verkümmern. Sie können kaum mehr gerade stehen oder sitzen. Es kommt zu massiven Bewegungseinschränkungen. Sie könne sich auch nicht mehr richtig mit anderen Unterhalten und die Verständigung kommt bald an ihre Grenzen.
Erliegt Luis also gerade dem Dichtestress? Noë findet den Gedanken absurd: Sie hat noch nie eine grosse Menschenmasse gesehen. Und sie ist sich sicher, dass es Luis gleich geht. Sie kann sich darum nicht vorstellen, dass er sich zurück gezogen hat. Auch darum nicht, weil er doch ständig im Café Meetingpoint ist und sich mit anderen unterhält. Es scheint ihr unlogisch, obwohl die Symptome gut passen würden: Luis hat selber gesagt, dass er in seinen Bewegungen eingeschränkt ist. Und dass er sich mit ihr nicht richtig verständigen kann, hat sie ja selber erlebt. Oder kann sie sich nicht mehr richtig mit ihm verständigen? Noë ist plötzlich unsicher.
Sie überlegt sich ernsthaft, ob sie selber vielleicht im Dichtestress ist. Aber eigentlich ist es ja genau das Gegenteil: Sie fühlt sich einsam und alleine. Sie sucht nach Kontakten und kann niemanden finden. Niemanden in den Fluren und in der Stadt niemanden, der sich ernsthaft mit ihr verständigen will.
Wieso ist sie denn so alleine? Und wo sind die Friends hingekommen? Luis hat gesagt, es werden immer weniger. Vielleicht gibt es ja den Klimawandel trotzdem und er sucht sich langsam seine Opfer. Vielleicht ist Luis das nächste Opfer des Klimawandels? Obwohl, was hat die Bewegungseinschränkung mit der Temperatur zu tun. Und Luis meinte auch, dass sich die Temperatur ja nicht verändert hat. Noë erinnert sich, dass sie kalt hatte, als sie den Text zum lappländischen Winter gelesen hat. Vielleicht sind ja nicht alle Menschen gleichermassen vom Klimawandel betroffen. Für manche wird es vielleicht wärmer und für andere bleibt die Temperatur gleich. Und die, denen es zu warm wird… Ja, was passiert mit denen?
Könnte es sein, dass sie sterben? Und könnte es sein, dass sie, Noë, so alleine ist, weil alle anderen Menschen um sie herum gestorben sind? Verbrannt in der Klimaerwärmung? Sie hält kurz inne und schliesst die Augen: Hat sie warm? Verspürt sie Wärme? Sie erinnert sich daran, dass es ihr immer wärmer wurde, je tiefer sie im Gebäude gestiegen ist. Obwohl Wärme doch eigentlich aufsteigt und es gegen oben in einem Haus immer wärmer sein müsste. Könnte es sein, dass die Klimaerwärmung von unten kommt? Das der Erdkern verbrennt und dass dies der Grund für die Klimaveränderung ist? Es wird ihr etwas unheimlich. Aber sie versucht noch einmal zu erspüren, ob sie warm hat und sie muss zugeben, dass es ihr gerade gut geht, sie sich wohl fühlt und die Lufttemperatur um sie herum genau richtig ist. Sie sucht weiter nach Informationen.
17. Juli 2019
Dichtestress - Lassen Sie sich einzellen
Nachdem der Vorschlag vom Tisch ist, die überzähligen Flüchtlinge einfach einzuzellen, hat SIN-GL ING. die Technologie der Einzellung weiterentwickelt und präsentiert heute ein modernes Fluchtmittel aus der überbevölkerten Welt. >dea<
Im Juli 2018, vor gut einem Jahr also, hat das Unternehmen SIN-GL ING. die Technologie der Einzellung der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Mittels einer Nährungszelle ist es möglich, Körper auf engem Raum medizinisch zu versorgen und dem Geist alle Freiheit der Welt zu geben - und noch mehr. Plan war es damals, Flüchtlinge einzuzellen und ihnen in der VR (der virtuellen Realität) einen Platz an der Sonne zu bieten. Die Flüchtlinge könnten in der VR einen Ort kreieren, der identisch ist mit ihrer Heimat und dort in Ruhe und Frieden leben, selbst wenn sie in der Realität nie mehr dorthin zurück gehen können. Sei es, weil der Lebensraum zerstört ist oder weil dort Krieg herrscht.
Die Politik hat diesen Plänen nicht zugestimmt. Sie befand es als unethisch, ganze Menschengruppen in eine virtuelle Realität zu verbannen. Nun hat SIN-GL ING. umgeschwenkt: Die Virtuelle Realität soll all jenen offen stehen, welche den miserablen Verhältnissen dieser Welt freiwillig entfliehen wollen.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Da unter diesen Umständen keine finanzielle Unterstützung durch den Staat erwartet werden kann, wird die Einzellung zu einem Luxusgut. Leisten können es sich im Moment nur die Reichen. Sie werden dafür aber belohnt. Ihre Köper werden aufs Beste versorgt durch die Nährungszellen, in abgeschirmten Räumen, wo sie auch vor Pandemien geschützt sind.
Der normalen Bevölkerung werden mittelfristig einfachere Ausstattungen in Aussicht gestellt, beispielsweise mit Familien- statt Einzelzimmern. Ausserdem hat SIN-GL ING. angekündigt, dass sie demnächst auch einige der Luxussuiten verlosen werden. Weitere Informationen finden sich hier.
Noë fährt mit dem Mauszeiger über das unterstrichene Wort „hier“ und er wird zur Hand. Sie klickt und landet auf einer neuen Seite, die übertitelt ist mit den Worten
VR wartet auch auf Sie!
Gehen Ihnen Ihre Nachbarn auf die Nerven mit ständigem Gepolter, Geklopfe und Geschrei? Mussten Sie im Supermarkt wieder so lange anstehen, weil jemand an der Kasse vorne seinen Pin-Code vergessen hatte? Haben sich Ihre Reisepläne in Luft aufgelöst, weil im Zielgebiet wieder einmal ein Unwetter herrscht oder gar ein Vulkan ausgebrochen ist? Erlösen Sie sich von all dem Stress und all Ihren Sorgen und ziehen Sie um in die VR, die Welt voller unbegrenzter Möglichkeiten. Kreieren Sie sich Ihre eigene Welt, ihr Haus und die Landschaft, in der es steht. Wählen Sie sich Ihre Nachbarn selber aus - oder leben Sie als einziger Mensch weit und breit. Füllen Sie noch heute den Antrag aus.
Noch nicht überzeugt? Schauen Sie sich unseren Werbefilm an mit exklusiven Einblicken in Ihr Leben in der VR: Sie haben es verdient!
Noë klickt auf den Link zum Video und staunt über das, was sie da zu sehen bekommt.
Ein grosser Raum, mindestens zehn mal so gross wie ihr kleines Zimmer hier. Sonnendurchflutet, hell und gemütlich. Ein kuschliges Sofa und davor ein Tisch. Darauf eine schöne Vase mit einem riesigen Blumenstrauss. Eine Frau mit einem wunderschönen Wollschal sitzt auf dem Sofa und guckt in eine Broschüre. Hinter ihr befindet sich eine Bücherregal mit vielen Büchern und rechts an der Wand hängt ein gerahmtes Bild von einer bunten Blumenwiese. Die Frau beugt sich nach vorne, steckt ihre Nase in den Blumenstrauss. Ein Mann betritt den Raum durch eine Türe. Er trägt ein kariertes Hemd. Er setzt sich zur Frau und fragt sie, ob sie denn das alles aufgeben wolle. Sie lächelt und antwortet, dass sie gar nichts aufgeben muss. Weil sie das alles und noch viel mehr in VR haben kann. Sogar eine eigene Blumenwiese rings um ihr Haus ist möglich. Die wird erst duften. Und sollte sie doch einmal Sehnsucht bekommen, könne sie jederzeit aufstehen und sich hier an den Tisch setzen und die Blumen betrachten oder raus gehen und Freunde besuchen. Aber sie bezweifle, dass sie das jemals wolle. Denn die Freunde könne sie auch in VR besuchen und müsse dabei nicht einmal durch den dichten Verkehr und all die Menschenmassen gehen. Der Mann lächelt nun auch und nickt der Frau zu.
Die beiden stehen auf und wenden sich dem hinteren Teil des Raumes zu, wo man jetzt zwei ergonomisch geformte Betten sehen kann. Plötzlich steht ein älterer Mann mit weissem Bart, Brille und weissem Kittel da. Er stellt sich vor als Mitarbeiter von SIN-GL ING. und erklärt nun die Technologie der Einzellung. Man legt sich auf das Bett und die Nährungszelle übernimmt den Rest. Sie misst, was der Körper gerade braucht und wärmt oder kühlt, versorgt ihn mit Nährstoffen und wenn nötig mit Medikamenten. Er gibt den Muskeln im Körper auch immer wieder die nötigen Impulse, so dass sich diese nicht zurück bilden und man fit bleibt, selbst wenn man sich wochenlang nicht bewegt.
Der Mann fragt, ob es denn nicht gefährlich sei, wenn man da so lange liege. Ob das System denn keine Überwachung brauche. Der SIN-GL ING.-Mann beruhigt ihn: Das System sei zentral überwacht, von einem Computer und von Menschen. Sobald etwas nicht normal laufe, greifen die Ingenieure ein. Ausserdem können man sich auch eine persönliche Überwachungsperson abonnieren. Diese komme einmal pro Woche oder nach Bedarf vorbei, scanne beispielsweise Briefe um sie in die VR zu senden, bringe frische Blumen, wenn das erwünscht sei. Sie könne auch sauber machen, aber das sei eigentlich gar nicht nötig, denn die Räume seien so abgeriegelt, dass kein Dreck von aussen eindringe und der Staub aus dem Raum gesogen werde. Alles sei sehr hygienisch. Beruhigt legen sich der Mann und die Frau auf die Matratzen, seufzen und schliessen die Augen.
Dann sieht man die beiden, jetzt in anderer Kleidung, in einem Haus. Auf dem Tisch steht eine Vase mit Blumen, im Regal stehen unzählige Bücher und an der Wand hängt das Bild mit dem Blumenfeld. Die Frau nimmt den Mann bei der Hand, öffnet die Türe und zusammen treten sie nach draussen. Das hübsche Haus steht mitten in einem Blumenfeld, wenige Bäume stehen inmitten der Wiese und blühen mit den Blumen um die Wette. Unter einem Baum steht eine Bank und dorthin gehen jetzt die beiden. Sie setzen sich. Die Frau pflückt eine Blume aus der Nähe und hält sie an die Nase. Sie seufzt zufrieden.
Noë erinnert sich an einen Artikel, den sie gelesen hat und der diese Technologie der Einzellung vorstellte. Sie erinnert sich auch daran, dass der Artikel sie beruhigt hat und dass sie froh gewesen war für die Flüchtlinge, dass diese nun wieder ein Zuhause hatten. Offenbar hat das nicht geklappt. Die beiden Menschen hier schienen nun aber zufrieden zu sein. Wieso die Flüchtlinge das wohl nicht wollen?
Sie überlegt weiter: Vielleicht sollte sie dort hin gehen? Zwar wirbt SIN-GL ING. vor allem damit, dass man dem Dichtestress entgehen und dass man für sich alleine sein kann. Aber grundsätzlich scheint ja alles möglich. Also müsste es doch auch möglich sein, sich dort in eine Welt mit vielen anderen Menschen zu begeben. Menschen, mit denen man reden kann, sich austauschen? Das wäre schön. Ob die Technologie schon vollumfänglich läuft? Und ob sich schon viele Menschen haben einzellen lassen?
Plötzlich stutzt sie: Ist es denn schon ein Jahr her, dass sie den ersten Artikel zur Einzellungstechnologie gelesen hat? Oder liegt das alles in der Vergangenheit. Könnte es auch in der Zukunft liegen? Das wohl eher nicht. Aber wenn sie in Texten stöbert, dann können diese schon älter sein. Sie hat dieser Frage bisher noch nie Beachtung geschenkt. Sie versucht sich zu erinnern. Und ihr fällt auf, was sie bisher noch nie richtig bemerkt hat: Die Zeitungsartikel in ihrer Zeitung waren immer aus ganz verschiedenen Jahren.
Gerne würde Noë in den Zeitungen blättern, die sie jeweils gelesen hat. Aber diese sind ja immer wieder verschwunden. Sie sucht nach Artikeln im Internet. Sie sucht die Seiten nach Daten ab. Und es fällt ihr auf: Es gibt keine Artikel, die älter sind als 2025. Entweder ist jetzt das Jahr 2025 oder aber 2025 ist vorbei und da wurde das Internet durch etwas anderes abgelöst. Das scheint ihr nun plausibel, denn rein gefühlsmässig gibt es mit den Jahren immer weniger Artikel. Aus den 2010er Jahren findet sie etwa doppelt so viele Treffer wie aus den 2020er Jahren.
Was könnte denn diese andere, neue Technologie sein. Wo könnten die Texte später erschienen sein. Erst waren sie offenbar in der gedruckten Zeitung, dann im Internet. Was kommt danach? Vielleicht… Was, wenn wirklich alle Menschen in die VR gegangen sind? Alle haben sich einzellen lassen und leben jetzt in VR und brauchen keine Zeitung mehr. Und auch kein Internet. Oder vielleicht haben sie auch ein eigenes Internet, ein VR-Internet. Oder ein ganz anderes System. Vielleicht so etwas wie die Nachrichten, die sie mit ihren Friends ausgetauscht hat…
Plötzlich denkt Noë, dass sie vielleicht sogar schon eingezellt ist. Es würde eigentlich passen. Das Gebäude mit den vielen kleinen Zimmern, Tür an Tür. Klar, die Zimmer waren viel kleiner als im Werbefilm. Aber das waren vielleicht die Zimmer für die einfachen Leute. Und die Matratze, die sie wärmte und ihr wahrscheinlich auch Nahrung gab, das könnte eine Nährungszelle sein. Und mittels Zwinkern konnte sie sich in die Virtuelle Realität einklinken. Und darum ist sie hier in diesem Gebäude wahrscheinlich auch alleine, weil alle in der VR sind. Darum hat ihr niemand geantwortet, als sie an die Türen geklopft hat, weil niemand hier sein will, in diesem Gebäude. Alle möchten in der VR sein, wo sie es schön haben. Und wieso ist sie, Noë, nicht dort? Und geniesst ein unbeschwertes Leben?
Immer, wenn ich ein neues Kapitel zum Utopia-Projekt veröffentliche, verschicke ich ein Benachrichtigungsmail. In der Seitenleiste links kann man sich dafür einschreiben.
Hoi Sasa, alles super geschrieben und intresant, gratuliere.
Das Wort Dichestress find ich den Wahnsinn!!!
Weiter gut schreiben wünscht Guido
Danke :-)