utopia – 14: der rolltreppenrambo im dichtestress

[Dieser Beitrag gehört zum Roman „Utopia“. Der Roman erscheint im Blog in loser Reihenfolge. Der Beginn findet sich hier.]

Noë schlug die Augen auf. Fahles Licht fiel durch die Gardinen. Sie hätte nicht sagen können, ob es erst kurz nach Morgendämmerung war oder sie schon weit in den Tag geschlafen hatte. Sie hätte auch nicht sagen können, ob es Sommer oder Winter war. Oder Herbst oder Frühling.

Das waren die Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In der Stadt mit den immer gleichen Strassen waren sie kaum wahrnehmbar. Sie hatte Geschichten gelesen von Menschen, die im Winter traurig waren und im Frühling zu neuer Lebhaftigkeit erwachten. Sie fragte sich, ob sie selber auch lebhafter werden würde, wenn mal der Frühling spürbar wäre. Und ob sie sich vielleicht gerade in einer Art Winterschlaf befand, wo sie alles nur gedämpft wahrnehmen konnte. Aber da musste sie lachen. Sie spürte erst ein Kräuseln in ihren Mundwinkeln. Sie versuchte es zu unterdrücken, aber es war stärker. Der Drang zu lachen. Sie spürte, wie sich ihr Mund zu einem breiten Lachen verzog und bald darauf musste sie laut herauslachen. Aber es war nur ein äusserliches Lachen. In ihr drin war es stumm und leer und dumpf.

Als das Lachen abgeklungen war richtete sie sich im Bett auf. Sie hatte heute keine Lust, nach draussen zu gehen. Sie wollte gar nicht wissen, ob vor ihrem Fenster der Frühling explodiert war. Sie wollte nur hier drinnen bleiben, sich in ihrer Wohnung verkriechen. Ein Gedanke kam ihr: Hatte sie denn genug zu essen? Konnte sie sich etwas bestellen? Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal einkaufen war. Sie wusste es nicht. Sie wusste nicht einmal, ob sie überhaupt jemals einkaufen war. Und noch etwas wusste sie nicht: Wann sie das letzte Mal gegessen hatte. Sie stand auf und ging in die Küche. Im Kühlschrank fand sie etwas Käse, Fleisch und Butter. Eine Flasche Milch. Zwei kleine Zucchini. Und auf dem obersten Regal stand ein Schälchen mit blauen Beeren. Verstohlen nahm sie eine davon und steckte sie sich in den Mund.

Danach ging sie ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Sie konzentrierte sich dabei insbesondere auf ihre Mundwinkel. Diese zeigten gerade nach hinten. Sie versuchte eine Grimasse zu machen und zog die Mundwinkel dazu mit den Findern nach unten. Sie schaute sich an, blickte sich tief in die Augen. Dann liess sie die Mundwinkel los und diese ploppten nach oben. Noë betrachtete ihr Gesicht und ihr Lächeln, dass durch ihren unkontrollierbaren Mund geformt wurde. Sie schaute ihr Lächeln an und beobachtete im Spiegel, wie es sich zu einem Lachen verformte und sie hörte sich selber lachen, verzerrt durch die hallende Akustik im Badezimmer. Sie versuchte noch einmal ihre Mundwinkel mit den Fingern nach unten zu ziehen, aber es gelang ihr nicht mehr. Sie setzte sich auf die Toilette und wartete einfach, bis das Lachen aufhörte.

Dann ging sie zum Wohnzimmer und bevor sie ihren Blick auf den Tisch lenkte, wusste sie schon, dass dort wieder eine frische Zeitung liegen würde. Sauber gefaltet. Und sie wusste auch, dass sie sich zwar vornehmen konnte, die Zeitung heute nicht anzurühren, aber dass sie am Ende doch nicht widerstehen können würde und dass sie lesen würde von all den Dingen, die sie nicht einordnen konnte und die für sie absolut keinen Sinn ergaben. Und wie sie sich jeweils ihrem Lachen hingab, so gab sie sich jetzt auch dieser Zeitung hin und dem inneren Drang zu lesen und der vergebenen Hoffnung, dass sie vielleicht heute doch etwas von all dem verstehen würde, was ihr golden entgegenschimmerte.


9. November 2017
Rolltreppenrambo hinterlässt Schlachtfeld im Hauptbahnhof

18 verletzte Personen am Hauptbahnhof. Grund: Stau auf einer Rolltreppe.

Auslöser für das Gedränge am oberen Abschluss einer Rolltreppe war nicht etwa eine ältere Person mit Gehbeeinträchtigung sondern ein kerngesunder Mann mittleren Alters. Er war am Ende der Rolltreppe einfach stehen geblieben. Da er etwas kräftiger war, konnten die nachfolgenden Personen nicht ausweichen und ihn auch nicht auf die Seite schieben. Als sie ihn notgedrungen angerempelt haben, ist er wütend geworden und hat einer nachfolgenden Frau in den Bauch geboxt. Diese ist zusammengebrochen, wobei sich ihr Schirm in die Rippen eines weiteren Mannes hinter ihr gebohrt hat. Ein folgender Kinderwagen hat sich in den Beinen der angestauten Menschen verkeilt und durch den Schub der Rolltreppe hat sich eine Menschenpyramide gebildet.

Die Verletzten wurden in die nächstgelegenen Krankenhäuser gebracht. Das Schirmopfer musste notoperiert werden. Alle Betroffenen und ihre Angehörigen werden psychologisch betreut. Der Mann, der das Desaster ausgelöst hat wird ausserdem von der Polizei verhört.>nbw<

Noë musste etwas lachen und sie war sich nicht sicher, ob das Lachen hier vielleicht sogar angebracht war. Sie stellte sich vor, wie die Menschen auf der Rolltreppe standen und von allen Seiten gedrückt und geschoben wurden. Vielleicht war das eine Art Komödie. Immerhin hätten die Menschen sich ja relativ einfach befreien können, wenn sie sich einfach von der Rolltreppe weg bewegt hätten. Andererseits war es erstaunlich, wie schnell aus einer Komödie eine Tragödie mit 18 Verletzten wurde. Aber bestimmt hatten sie sich schon wieder erholt. Schliesslich waren sie ja gut betreut worden.

Noë hielt Ausschau nach einem weiteren Artikel zum Thema, der ihr vielleicht mehr Hintergrundinformationen liefern konnte oder etwas zum Verbleib der Opfer sagte.


11. November 2017
Untersuchung des Rolltreppen-Massackers — Terroristischer Hintergrund verworfen

Vor zwei Tagen ereignete sich ein folgenschwerer Unfall auf einer Rolltreppe am Hauptbahnhof. Zwischenzeitliche Vermutungen eines geplanten Terroraktes wurden mittlerweile verworfen. Fachpersonen sind sich über die Ursache solcher Unfälle nicht einig. Der als „Schirmopfer“ bekannt gewordenen Mann ist mittlerweile seinen Verletzungen erlegen.

Psychologen hatten angenommen, dass es sich beim Verhalten des Rolltreppenrambos um eine Art Racheakt gehandelt hat: Er soll absichtlich am Ende der Rolltreppe stehen geblieben sein, weil vor ihm auch jemand gestanden hatte und ihm den Weg versperrt hatte. Die Untersuchungen zeigten jetzt allerdings, dass es sich weder um eine bewusste noch um eine unbewusste Rache oder Nachahmung dieses Verhaltens handelte, sondern dass der Mann wirklich nicht mehr wusste, was er tut. Er sagte aus, er hätte zwar bemerkt, dass die Rolltreppe zu Ende war aber er hatte sich noch nicht überlegen können, wo er nun weiter hin gehen sollte. Also blieb er automatisch stehen um sich erst einmal über sich selber klar zu werden. Dass sich hinter ihm noch weitere Menschen auf der Rolltreppe standen, war ihm nicht bewusst gewesen. Er hätte damit in keinster Weise rechnen können, betonte sein Anwalt vor laufenden Kameras.

Ptolemäisches Syndrom

Da sich in letzter Zeit ähnliche Fälle zu häufen beginnen, hat sich das Psychologische Zentrum dem Thema angenommen. In einer Versuchsreihe wurde das Verhalten repliziert: Testpersonen wurden einer Situation ausgesetzt, in der sie durch das Verhalten anderer Menschen an ihrem eigenen Weiterkommen gehindert wurden. Später versetzte man die Testpersonen in eine andere Situation, wo sie selber ihr Verhalten steuern konnten, und zwar so, dass sie entweder den anderen Menschen rücksichtsvoll Platz lassen oder ihnen den Weg versperren konnten.

Es liess sich nachweisen, dass sich die Testpersonen nicht mehr daran erinnern konnten, selber schon behindert geworden zu sein und dass sie sich wirklich nicht vorstellen konnten, dass ihr Verhalten jemanden stören oder gar gefährden könnte. Das Phänomen wurde als „Ptolemäus-Syndrom“ benannt, nach der Idee von Claudius Ptolemäus, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei und alles um sie kreise. Die Menschen mit dem Syndrom haben selber das Gefühl, der Mittelpunkt des Universums zu sein und registrieren nicht, dass sich um sie herum andere Körper frei bewegen und ihre Bahn kreuzen.

Wie stark das Syndrom heute schon in der Gesellschaft verbreitet ist, ist noch unklar. Vertreter der Theorie rechnen aber mit einer starken Zunahme von Unfällen, die sich genau drauf zurückführen lassen. Sie ordnen das Syndrom den Symptomen des — umstrittenen — Dichtestresses zu.>ben<

Noë lachte, obwohl ihr nun definitiv nicht mehr zum lachen war. Ein Mann war gestorben. Aber gleichzeitig war das doch auch wieder gut: Wenn die Menschen unter Dichtestress litten, war es ja nicht schlecht, wenn sich die Bevölkerung wieder etwas reduzierte. Sie hatte einmal über Ratten gelesen, die sich zwar immens vermehrten, aber nur, so lange sie auch genug Raum zum leben hatten. Danach regulierte sich ihre Anzahl wie von selber. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob dazu ein Toter schon ausreichte. Und offenbar war dieser Dichtestress an sich auch umstritten. Wieder einmal gaben ihr all die Informationen mehr neue Rätsel auf, als dass sie ihr irgendwelche Fragen beantwortet hätten. Sie blätterte die Zeitung um und hoffte fast schon darauf, dass es noch einen weiteren Folgeartikel zum Thema gab. Und tatsächlich fand sie eine Diskussion von verschiedenen Fachpersonen zum Thema Dichtestress.


21. November 2016
Dichtestress ist Unfug — Diskussion unter Fachpersonen

Der Rolltreppenrambo hat die Gemüter erhitzt und eine öffentliche Debatte um die Sicherheit der Individuen in dieser Gesellschaft angeheizt. Fachpersonen haben uns das Ptolemäus-Syndrom als Lösung präsentiert. Aber der Dichtestress ist umstritten. Wir haben Expertinnen und Experten an einen Tisch gebracht und sie über die aktuelle Situation diskutieren lassen.>veb<

M: Das Ptolemäus-Syndrom hält die Gesellschaft in Atem. Es wird als ein Symptom für Dichtestress gewertet. Was ist denn überhaupt dieser Dichtestress?

F1: Von Dichtestress sprechen wir in der Fachwelt, wenn plötzlich zu wenig Raum vorhanden ist für einen Organismus. Wenn der Platz immer enger wird, dann wird die Lebenserhaltung gestört und es kommt zu Problemen, beispielsweise bei der Reproduktion. Ein Organismus befindet sich im Stress und kann nicht mehr richtig funktionieren.

F2: Also, man sieht das vor allem in der Tierwelt: Wenn sie beispielsweise zu viele Ratten auf einer bestimmten Fläche haben, dann fangen die Elterntiere an ihren Nachwuchs zu vernachlässigen. Die Tiere werden aggressiv oder apathisch. Es kann sogar zu kannibalistischen Attacken kommen. Die Aggrssionen werden ausgelöst durch die Ausschüttung von Stresshormonen. Damit sollten eigentlich Reserven für einen anstehenden Kampf oder eine Flucht mobilisiert werden. Allerdings ist die Überbevölkerung weder ein physischer Gegner, noch können die Ratten in diesem Moment irgendwo hin fliehen, weil sie an dem Ort halt eben gefangen sind. Und da kommt es dann halt zu Ausbrüchen von Aggressionen gegen andere Ratten. Aber eben: Das ist bei Tieren so.

F3: Dass ist bei Tieren so, aber der Mensch ist auch nur ein Tier. Auch beim Menschen lassen sich solche Dinge klar nachweisen.

F2: Also, der klare Nachweis fehlt ganz klar. Der Mensch hat auch instinktive Verhaltensweisen, aber der Mensch hat in seiner Geschichte viele Verhaltensweisen gewonnen, die nicht mehr instinktiv gesteuert werden. Wir haben — und das macht uns ja gerade in unserem Menschsein aus — Moral und Ethik, wir können unsere Instinkte eben kognitiv überbrücken. Wir können besser handeln und wir sind dabei soweit fortgeschritten, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken müssen.

F1: Das würde ich jetzt stark bestreiten. Das wir nicht mehr darüber nachdenken müssen. Es

F2: Es ist für uns selbstverständlich, richtig zu handeln. Wir haben ein System, das seit Jahrhunderten funktioniert. Da müssen wir doch jetzt nicht zu diskutieren anfangen.

M: Wir haben vorher gehört, was Stresshormone in Tieren ver

F2: Gucken sie doch in die Vergangenheit zurück. Da sehen sie, dass sich der Mensch entwickelt hat.

M: Wir haben vorher gehört, was Stresshormone in Tieren verursachen. Was machen sie mit dem Menschen?

F3: Danke. Es lässt sich beispielsweise nachweisen, dass unter für Menschen erschwerten Bedingungen die Kindersterblichkeit zunimmt und Krankheiten wie Tuberkulose oder Geschlechtskrankheiten. Für die westliche Gesellschaft lässt sich auch über Selbstmordraten und Jugendkriminalität spekulieren. Und nicht zu vergessen sind auch psychische Störungen oder Unpässlichkeiten.

F2: So ein Quatsch. Das war bisher nie ein Problem. Man muss nicht künstlich Probleme suchen. In New York oder Bunos Aires haben sie seit Jahrzehnten viele Menschen auf einem Haufen. Sehr viele Menschen. Und die sind auch nicht alle durchgeknallt. Natürlich: Wo mehr Menschen sind, sind auch mehr Menschen, die mit sich oder der Gesellschaft ein Problem haben. Aber daraus jetzt ein neues Phänomen abzuleiten. Wie gesagt: Der Mensch hat die kognitive Fähigkeit, die den Tieren angeborene Intuition zu überleben.

F1: Wir sollten vielleicht noch weitere Faktoren in Betracht ziehen. Es geht nicht nur um die Dichte beim Dichtestress. Das heisst, es geht nicht nur um die Anzahl der Personen, die auf einem Raum miteinander leben.

F2: Wissen Sie, wie viele Menschen in Indien leben. Und die leiden schliesslich auch nicht unter Dichtestress. Und darum ist es auch übertrieben, hier bei uns von Dichtestress zu sprechen. Ich lehne das also ganz dezidiert ab.

F1: Wie gesagt, es geht nicht um die Anzahl der Personen. Es geht auch um die Lebensformen. Die zunehmende Urbanisierung stört beispielsweise die genetische Prädisposition zu persön

M: Können Sie kurz erklären: Was ist eine genetische Prädisposition?

F2: Das wird doch jetzt einfach lächerlich. Das hat alles nichts miteinander zu tun. Das wurde noch nie zuvor so diskutiert. Also kann es auch jetzt keinen Sinn machen.

M: Die genetische Prädisposition?

F1: Danke, ja. Also, in unseren Genen sind bestimmte Dinge angelegt. Also beispielsweise auch Verhaltensweisen. Und dazu gehört beim Menschen — sozusagen als Herdentier —, dass er einen starken Bezug zu anderen Menschen aufbaut. Dass er persönliche Bande pflegt.

M: Und die Urbanisierung

F1: Die Urbanisierung stört genau dieses Verhalten. Auf einmal leben die Menschen nicht mehr in Grossfamilien und sie sind umgeben von lauter Fremden und

F2: Das ist doch alles Quatsch. Diese Urbanisierung, wie sie sagen, die hat sich nicht von gestern auf heute entwickelt. Und ausserdem gehen die Leute ja selber und freiwillig in die Städte. Auf dem Land will ja gar niemand mehr wohnen. Alle wollen die städtische Infrastruktur. Wenn sich die Menschen in der Stadt wirklich nicht wohl fühlen würden, dann würden sie doch einfach auf eine einsame Alp ziehen.

F1: Aber das können sie doch gar nicht. Sie müssen ja irgendwo arbeiten. Und die Arbeitsplätze sind nicht auf der Alp. Die Menschen werden ja in die Stadt gezwungen.

F2: Ach, halten sie doch den Mund. So ein Quatsch. Sie, sie, sie

M: Wie sieht es denn aus: Gibt es in der Tierwelt nicht Beispiele für eine gewisse Anpassung an neue Situationen?

F3: Ja, das gibt es in der Tat. Wir wissen beispielsweise von Walrossen, die Jahrhunderte lang auf dem Eis der Arktis gelebt haben und jetzt schmilzt ihnen das Eis buchstäblich unter den Flossen weg und sie gehen aufs Land.

F2: Eben. Hier haben wir es: Tiere sind anpassungsfähig. Und der Mensch, mit seiner Fähigkeit zu Ethik und Moral, wie sie vorher betont haben, der ist es erst recht. Menschen können sich nicht nur anpassen, wenn ihnen das Eis unter den Flossen wegschmilzt, die können sich schon vorher überlegen, wo sie als nächstes hingehen.

M: Der Rolltreppenrambo hat doch aber eher gezeigt, dass viele Menschen eben genau nicht mehr wissen, wo sie als nächstes hingehen.

F1: Der Rolltreppenrambo war wohl einfach überfordert. Vielleicht war der Weg, den er eigentlich nehmen wollte, nicht frei und er konnte sich nicht entscheiden, für welche Alternative er sich entscheiden soll. Wir haben viele Möglichkeiten, viel zu viele für die meisten Menschen. Die Welt ist enorm komplex. Eine Strategie hier ist auch, den Problemen nicht mehr ins Auge zu sehen, sondern sie so gut es geht zu ignorieren oder sie schlichtweg zu leugnen.

F2: Quatsch. Ich sage es noch einmal: Das alles war bisher nie ein Problem. Wir müssen nicht jetzt künstlich eines daraus erschaffen. Diese Verletzten auf der Rolltreppe hätten einfach vermieden werden können, wenn die nachfolgenden ausgewichen wären, statt dumm stehen zu bleiben und den armen Mann anzurempeln.

F3: Wenn ich noch einmal auf die Walrosse zurückkommen darf: Die gehen nicht freiwillig aufs Land. Die wären lieber auf dem Eis, aber in ihrer Not begeben sie sich ans Festland. Was das für Konsequenzen haben wird, wissen wir ja noch gar nicht.

F2: Ach hören sie auf. Das Walross hat in den vergangenen hundert Jahren auch nicht immer auf genau derselben Eisscholle gesessen.

M: Ich stelle fest, wir finden hier keine Einigkeit. Vielleicht kann ich zusammenfassend festhalten: Der Rolltrppenrambo ist eine Realität, aber er ist nicht die einzige Realität. Es gibt viele Rolltreppen, die bis heute ganz unfallfrei geblieben sind und vielleicht sollten wir uns mehr darauf konzentrieren.

F2: Genau, statt sich immer auf die Probleme zu konzentrieren. Die Rolltreppen waren all die Jahre seit ihrer Einführung nie ein Problem.

M: Ich danke Ihnen für das anregende Gespräch.

Noë blickte erschöpft auf. Wieso nur musste alles so kompliziert sein. Wieso konnten die Macher der Zeitung nicht einfach aufschreiben, was richtig war. Das würde viel Zeit sparen und viel Energie und alles wäre viel klarer. Man müsste sich nicht so viele Gedanken machen und sich dauernd fragen, ob man sich vielleicht die falschen Gedanken macht oder sogar falsche Schlüsse zieht.

Sie hatte genug und ging zu Bett. Das Licht fiel fahl durch die Gardinen. Bevor sie die Augen schloss, setzte sie noch eine Nachricht an ihre Friends ab: Dass sie wieder viel Zeitung gelesen hätte und dass sie nicht mehr ein noch aus wüsste. Drei ihrer Friends liketen ihre Nachricht.

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