utopia holz, ©saschademarmels

utopia – holz

Der Tisch war aus mehreren Holzbrettern zusammengesetzt. Jedes hatte seine eigene Maserung. Beim ersten Brett verlief sie wellenförmig um ein Astloch, das selber aber nicht mehr zum Abschnitt gehörte. Die Ringe verliefen parallel, jedoch nicht gleichförmig. Sie bildeten eher eine Ellipse. Eine Ellipse um einen Punkt, der nicht zu diesem Tisch-Universum gehören zu schien und es dennoch massgeblich bestimmte. Die Linien im zweiten Brett waren gleichförmig, aber sie waren mal näher zusammen, mal weiter auseinander. Sie bildeten Bahnen, suggerierten Geschwindigkeit und Dynamik. Das dritte Brett schien kaum eine Maserung aufzuweisen. Wie eine Wüste bildete es eine Leere, bevor auf dem vierten Brett einige Spuren folgten, die wie tiefe Furchen wirkten. Das Holz strahlte eine Lebendigkeit aus, die Zusammensetzung der Tischoberfläche wirkte geschaffen. Nicht natürlich, aber auch nicht unnatürlich.

Sie wollte den Tisch berühren. Sie wollte das Holz anfassen. Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde. Etwas rau. Deutlich würde sie die Rillen wahrnehmen. Warm stellte sie sich das Material vor. Sie streckte den Finger aus. Langsam näherte sie sich der Platte. Als sie sie berührte, schreckte sie zurück. Ganz glatt hatte sich das angefühlt. Sie war irritiert über diese Empfindung. Sie entsprach so gar nicht dem, was sie erwartet hatte. Glatt, fast wie aus Plastik. Kalt. Unsicher fuhr sie mit dem Finger längs und quer über die Bretter. Über die Maserung, die sie vorher so genau studiert hatte. Nichts war zu spüren, keine Unebenheiten, kein Leben. Erst als sie mit dem ganzen Arm ausholte und quer über die Bretter hinweg mit der ganzen Hand den Tisch zu erfühlen versuchte, spürte sie wenigstens die Abschnitte, in die die Bretter den Tisch gliederten. Ganz feine, gerade Linien. Künstlich. Künstlich wirkte es auf sie.

Sie zog die Hand zurück und betrachtete den Tisch aufs Neue. Aber sobald sie die Hand vom kühlen, glatten Material genommen hatte, konzentrierte sich ihre Wahrnehmung wieder auf die verschiedenen Maserungen. Mit ihren Augen spürte sie ihre Lebendigkeit.

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